Der Wilhelm

– tageweise unsortiertes –

„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“

Søren Kierkegaard



  • Schönen Dank auch!


    Guten Abend zusammen!

    Das ZDF Sommer-Interview.
    Anscheind der Ort, wo jeder die Hosen runterlässt, um sich so gut zu blamieren wie er kann. Dabei natürlich auch der Vorsitzende der Kackblauen, der heute dran ist.
    Wobei schon die Vorabmeldung nichts wirklich Gutes verheisst, noch dazu, wenn man sich den Inhalt mal genauer durch den Kopf gehen lässt:

    Angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland setzt die AfD darauf, dass in Deutschland wieder mehr Kinder gezeugt werden. „Wir brauchen definitiv ein Umdenken in der Familienpolitik“, sagte Parteichef Tino Chrupalla im ZDF-Sommerinterview der Sendung „Berlin direkt“.

    Die Familienpolitik sei derzeit „desaströs“. „Wir haben eine de facto Ein-Kind-Politik“, sagte Chrupalla. Da müsse man ansetzen, damit Deutschland „in 20, 30 Jahren“ aus eigener Kraft heraus „mit unserem Nachwuchs auch wieder die Fachkräfte generieren“ könne.

    Tagesschau.de

    Noch mehr kleine Nazis, stramm deutsch-national erzogen?
    Denn darauf würde es wohl rauslaufen, wenn vor allem die eigenen Parteigänger dieser Forderung folgen und sich fleissig vermehren würden?
    Und was soll uns das heute helfen, wo der Fachkräftemangel doch jetzt schon ganz akut ist und der Verein dieses Dummbattels keine Zuwanderung will ???

    Aber mal abgesehen davon ist eine derartige Forderung ja auch nicht neu, sondern erinnert an Zeiten in unserem Land, als es ab dem vierten Kind noch Mutterkreuze gab. Auch wegen Fachkräftemangel (seinerzeit bei den Soldaten) und auch viel zu spät, um noch einen entscheidenden Beitrag leisten zu können….

    Also keine Gute Idee, Herr Chrupalla. Selbst wenn es mal wieder überdeutlich zeigt, welch Geistes Kind Sie sind.
    Danke fürs Gespräch


    Dennoch: habt noch einen angenehmen Abend und bleibt gesund und behütet!
    Wir lesen uns :bye:

    Euer Wilhelm,

    der jetzt zumindest weis,was er sich heute abend nicht antun wird, selbst wenn es dabei womöglich noch mehr Stoff für ein paar spitze Anmerkungen gäbe.
    Weil er dem Typen schon so nicht auf den Pelz gucken kann, weshalb sein Name hier auch niemals ausgeschrieben zu lesen sein wird….


    -12-

  • Wacken, Wacken, Wacken!


    Mahlzeit!

    Irgendwie machen sie ja doch was richtig, die Metalheads, die sich gerade im kleinen Dörfchen Wacken hoch im Norden die Stimmung nicht verderben lassen, auch wenn ihr Festival gerade im tiefsten Schlamm versinkt.
    Denn sie machen Party als ob nichts wäre und nehmen – im Gegenteil – den Schlamm sogar noch als zusätzlichen positiven Aspekt des Events, der keinen Anlass gibt, darüber zu meckern, sondern zum kreativen Umgang damit herausfordert:

    Dazu kommt es wohl nur auf die Sichtweise an – denn:

    Regen ist flüssiger Sonnenschein

    wie die Liebste einen ihrer Beiträge mit dem Zitat eines Wackenfans überschrieb ;-)

    Und das könnte doch ein gutes Beispiel sein, wie auch mit anderen Dingen umzugehen wäre, die für manche Menschen scheinbar einen Weltuntergang bedeuten (das Ausscheiden des deutschen Damenteams bei der WM beispielsweise), aber im Grunde auch nicht mehr als eine Momentaufnahme sind, die nichts darüber aussagt, was morgen oder übermorgen passiert, selbst wenn „wir“ jetzt nicht Weltmeister werden.
    Also :

    Aufstehen, Kopf hoch, Krönchen richten, weitermachen ;-)

    -_-_-_-

    Allerdings – das gebe ich zu – ist das mit der positiven Sichtweise ja auch nicht immer so ganz einfach und es will selbst mir nicht immer gelingen, der ich eigentlich ganz gut darin bin, Negatives „wegzustecken“ und Zukunftssorgen beiseite zu schieben.
    Denn manche dunkeln Wolken am Horizont bleiben ja trotzdem:

    Wie etwa die, die sich von Monat zu Monat in den politischen Umfragen zusammenballen mit dem völlig ungebremsten Trend der Kackblauen nach oben und der umgekehrten Richtung nach unten der anderen Parteien.

    Zumal jetzt auch überdeutlich wird, was der schwarze Mauerspecht mit seiner Überlegung einer partiellen Zusammenarbeit mit dem rechten Pack angerichtet hat. Denn selbst sein Verein befindet sich jetzt im Abwind, nachdem immer weniger Wähler ihm zutrauen es besser zu machen als die jetztige Regierung.
    Die Analyse dazu ist jedenfalls geradezu verheerend, wie sich zeigt, wenn man ein wenig in der Seite runterscrollt. Als Bundeskanzler können sich den unsäglichen Typen nämlich allenfalls noch 16 Prozent der Wähler vorstellen – ganz anders als noch vor ein paar Monaten, wo die seine Zahlen noch deutlich höher waren.

    Aber auch das beinhaltet ja eine Chance:
    Denn jetzt wird hoffentlich irgendwann der Punkt kommen, wo selbst der schwärzeste Schwarze erkennen könnte, dass es so nicht weitergehen kann und man den peinlichen Typ an der Parteispitze bald mal austauschen sollte, wenn man dem Abwärtstrend etwas entgegensetzen will….

    Also auch hier :

    „Wacken, Wacken, Wacken!“

    im Sinne einer positiven Sichtweise?

    Ich denke schon, denn auch diese Umfrage ist ja nur eine Momentaufnahme, die in ein paar Wochen oder Monaten schon ganz andere Werte zeigen könnte, wenn nicht nur die U-Parteien etwas verändern, sondern sich auch die Ampel endlich mal auf das besinnt, wofür sie angetreten ist.
    Dann sähe die Welt tatsächlich ein wenig besser aus, auch wenn damit nur ein Teil der dunklen Wolken verschwinden würde….

    Wobei jetzt mancher einwenden wird, dass ich da wohl sehr optimistisch bin, weil sich die politischen Elefanten in unserem Land nur ungerne von Positionen wegbewegen, die sie einmal eingenommen haben.
    Und es mag auch sein, dass sie damit Recht haben.

    Dennoch sollte man deswegen den Optimismus nicht verlieren finde ich…
    Zumal Pessimismus noch nie zu Veränderungen geführt hat.


    Bleibt also, Euch allen ein wenig „Wacken, Wacken, Wacken!“ zu wünschen und die Sichtweise, die damit verbunden ist.
    Und natürlich ein angenehmes (und hoffentlich nicht verregnetes) Wochenende und dass Ihr wie immer gesund und behütet bleibt.
    Wir lesen uns :bye:

    Euer Wilhelm,

    der zwar meist lieber etwas gefälligere Musik hört und sich für Schlammbäder ein wenig zu alt fühlt, aber irgendwie doch auch ein verkappter Metalhead ist…..


    -11-

  • Ein schönes Land?


    Guten Tag Euch allen!

    Es ist schon ziemlich lange her, dass ich dieses Lied zum ersten Mal gehört habe:

    Zupfgeigenhansel – Ein schönes Land

    Entweder schon Mitte der 70er Jahre, als Zupfgeigenhansel mehrfach in Bielefeld im ebenso legendären wie damals stets stark verrauchten „Bunker“ aufgetreten ist – oder irgendwann in den 80ern, wo sie gelegentlich noch bei Open-Air-Konzerten uns -Festivals der Friedensbewegung oder der Anti-AKW-Bewegung im näheren und weiteren Umfeld der Stadt am Teutoburger Wald auftauchten, nicht mehr als Top-Act, sondern als eine von vielen ähnlichen Gruppen, die dort immer wieder zu Gast waren, Ougenweide etwa, Liederjan oder den Bots, die damals gerade ihren grossen Höhenflug erlebten….

    Mit Musik und teils sehr politisch angehauchten Texten, mit denen man wohl heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken würde, ausser vielleicht so alten, nostalgisch angehauchten und links-grün versifften Öko-Spinnern wie mich.

    Zupfgeigenhansel Mitte der 80er: Thomas Fritz & Erich Schmeckenbecker

    Und so hat es mich auch merkwürdig seltsam berührt, als ausgerechnet dieser Titel vor ein paar Tagen in einer der Zufallsplaylists aufgetaucht ist, die meist statt des nervigen Radioprogrammes den Soundtrack meiner Tage darstellen .

    Weil da keiner dazwischenquatscht und ich ständig nicht mit „aktuellen“ Nachrichten und Meldungen traktiert werden möchte, die ich schon Morgens bei meiner Zeitungslektüre gelesen habe oder die ohnehin abends noch mal im Lokalfernsehen oder der Tagesschau auftauchen.

    -_-_-_-

    „Seltsam berührt“ schon deshalb, weil mir dieses Lied gleich aus mehreren Gründen seinerzeit schon sehr nahe gegangen ist mit seiner mir aus ganz anderen Zusammenhängen bekannten Melodie und der von Dieter Süverkrüpp 1963 geschriebenen Adaption des alten Textes von „Kein schöner Land“, die nun keine abendliche Idylle mehr beschrieb, sondern eine Antwort auf die moderne Welt Anfang der 60er Jahre zu geben versuchte.
    Eine Welt mit allgegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Konflikten und auch den ersten deutlich sichtbaren Anzeichen der gigantischen Umweltverschmutzung aufgrund des grenzenlosen Industriewachstumes und des Raubbaus an Ressourcen und Intakter Natur, der damit zusammen hing.

    Womit Süverkrüpp – zu seiner Zeit gelegentlich als grosser Spinner abgetan – zwar Anfang der 60er ziemlich ungehört blieb, einige Jahre später aber dennoch den Nerv der Zeit traf, als Zupfgeigenhansel das Lied als seinen Beitrag zur aufkeimenden Öko-Bewegung zum ersten Mal spielte… und zugegeben auch meinen Nerv.

    Denn natürlich war das auch in den 70ern und 80ern noch hochaktuell, insbesondere nach dem Nato-Doppelbeschluss und angesichts von der inzwischen viel deutlicher sichtbaren Naturzerstörung mit verdreckten Flüssen und sterbenden Wäldern und der Gefahr, die von den zu der Zeit noch wie Pilze aus dem Boden spriessenden Atomkraftwerksbauten in unserem eigenen Land ausging…

    Allerdings ist es (und war es) auch keines der lauten Kampflieder, die in diesem Zusammenhang häufig gab, sondern „nur“ auf stille Art mahnend, vor allem in seiner letzten Strophe:

    Nun haltet hier auf Erden wacht
    Daß sie nicht fällt in Todesnacht
    Sie zu behüten in ihrer Güten, seid wohl bedacht
    Sie zu behüten in ihrer Güten, seid wohl bedacht

    Text (c) Dieter Süverkrüpp 1963; Quelle Lyrictranslate

    Was zusammen mit der aus dem Volkslied übernommenen Melodie wohl auch dazu geführt hat, dass es schon damals gerne überhört wurde und wohl auch vielen als „nicht zeitgemäss“ galt.
    Ich erinnere mich jedenfalls noch sehr gut, dass die Bots auf einem Friedensfestival zwischen wortgewaltigen Reden und vielfältigen Musikbeiträgen für ihr „Was sollen wir trinken“ wesentlich mehr Beifall (und sogar frenetischen Jubel) einheimsen konnten als Zupfgeigenhansel für dieses doch sehr leise klingende Lied, das im allgemeinen Palaver (bei Volksfeststimmung, Rotwein, Bier und Flammkuchen) solcher Veranstaltungen meist unterging.

    -_-_-_-

    Aber egal, zumal der inzwischen schon sechzig Jahre alte Text ja auch heute noch passt, wenn man ihn mal über die Demonstrationen von „Fridays for Future“oder auch über die Aktionen der „letzten Generation“ legt – die auf ihre Art genau das selbe Anliegen benennen (und damit Süverkrüpp’s Auforderung weiter verfolgen, wie es schon in seinem Text geschrieben steht ). Wenn auch gelegentlich so, dass sie damit nicht unerheblich anecken.
    Aber was bleibt ihnen denn übrig, wenn nichts anderes funktioniert?

    Und trotzdem werden sie genauso überhört wie Süverkrüpp, Zupfgeigenhansel und die vielen anderen, die ähnliches gesungen oder geäussert (und dagegen mit deutlich sanfteren Methoden protestiert)haben.
    Überhört, ja sogar gescholten von denen, die es angeht.
    Also nicht nur von der Politik, sondern von uns allen, denen die Aufforderung ja ebenfalls gilt, „die Wacht zu halten und unsere Erde zu behüten“ . Denn wir (oder zumindest: viel zu viele von uns) leben auch heute (trotz des inzwischen deutlich fühlbaren Klimawandels) immer noch so unbeschwert, als ob es kein Morgen gäbe und sind nur in den wenigsten Fällen bereit, daraus endlich mal Konsequenzen zu ziehen. Die würden ja Einschränkungen und Unbequemlichkeiten bedeuten, die keiner von uns will, die wir aber gnaden- und rücksichtslos den Generationen unserer Kinder und Enkel zumuten…

    Dabei ist es doch schon fünf nach zwölf und kaum noch was zu retten, wenn nicht bald entscheidendes passiert.
    Und dann ist wohl endgültig Essig mit dem „schönen Land“ , wenn kaum noch was davon übrig bleibt…


    Habt dennoch alle einen ruhigen Nachmittag und einen angenehmen Rest der Woche – und bleibt gesund und behütet!
    Wir lesen uns :bye:

    Euer Wilhelm,

    gerade auf einer kleinen musikalischen Entdeckungsreise in die Vergangenheit…


    -10-

  • Alles auf Anfang? Ernsthaft?


    Es könnte ja durchaus verlockend sein, am Ende eines Lebens nochmal ein Neues zu bekommen und völlig neu starten zu dürfen, ohne dabei die gleichen Fehler zu machen wie beim letzten Mal oder sich der Mühe unterziehen zu müssen, mühsam etwas nochmal zu erlernen, was man seit einem der vorhergehenden Leben schon intus hat.

    Guten Morgen zusammen!

    Das Zitat oben stammt aus der Vorstellung meines zuletzt gelesenen Buches und fusst auf einem Gedanken, der mir bei Lesen immer wieder kam:

    Was wäre, wenn ich diese Möglichkeit auch hätte:
    Neu anfangen zu können und dabei über die Erfahrungen und Lerninhalte meines letzten Lebens verfügen zu können? Was würde/könnte ich dann anders/besser machen und welches Ziel würde ich mir geben?

    Doch wie ich schnell feststellen musste, ist das eine Frage, die ich für mich gar nicht so einfach beantworten kann. Beinhaltet sie doch, mir eingestehen zu müssen, dass ich im Lauf der letzten 64 Jahre einiges falsch gemacht habe und manches schlecht gelaufen ist – so schlecht, dass es mir zumindest eine Zeitlang Anlass zu heftigen Bissen in meinen Allerwertesten gewesen ist.

    Aber im Grunde sind das auch immer nur einzelne Episoden gewesen, meist geboren aus spontanen Entscheidungen, die sich im Nachhinein nicht als besonders glücklich erweisen haben, während ich mit dem grossen Ganzen in der Rückschau doch eigentlich ganz zufrieden sein kann.
    Auch angesichts der Tatsache, dass ich – wie alle Menschen – mein Leben „nur“ nach dem Try-and-Error-Verfahren gelebt habe ( samt aller Irrwege, die sich daraus ergaben) und es mir dabei zumindest gelungen ist, das zu bleiben, was man wohlwollend als einen „anständigen Menschen“ bezeichnen könnte. Wobei sich auch die meisten Irrwege in der Summe am Ende doch noch zu etwas Positivem und Gutem entwickelt haben, auch wenn es zwischendurch die eine oder andere Minute gab, wo es nicht so recht danach aussehen wollte.

    So gesehen bräuchte ich also keinen Neustart, zumal ich auch nicht denke, dass sich dadurch an grundlegenden Einstellungen und Einsichten etwas ändern würde….

    05:00 – Tagesbeginn

    -_-_-_-

    Allerdings gäbe es bei genauerer Betrachtung doch ein paar Details, die ich vielleicht besser machen könnte – fussend auf Erkenntnissen und Erfahrungen vor allem der letzten Jahre:

    Beispielsweise könnte ich von Anfang an mehr auf meine Gesundheit achten und mehr darauf, im Einklang mit Natur und Umwelt zu leben. Und auch die Sache mit der gesellschaftlichen Verantwortung habe ich in jungen Jahren nur allzu oft auf die leichte Schulter genommen, weil sie häufig meinen eigenen Interessen zuwider gelaufen ist.

    Und ich könnte rechtzeitig noch ein paar Fragen mehr nach Unklarheiten und dem „warum“ und „wieso“ zu meiner Familiengeschichte stellen, die jetzt – in diesem Leben – leider unbeantwortet bleiben mussten…

    Aber ansonsten würde ich grundsätzlich mein Leben wohl nochmal genauso leben wollen, wie ich es auch jetzt gelebt habe. Selbst wenn es möglicherweise nochmal einige Erfahrungen beinhalten würde, die ich nicht eigentlich kein zweites mal bräuchte:
    Schulstress, Unfälle, Verletzungen, Mobbing, Depression, Sorgen aller Art… usw.
    Denn auch die waren nötig, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin.
    Was im Umkehrschluss ja auch bedeutet, dass einiges wohl ganz anders gelaufen wäre, wenn ich sie nicht erlebt hätte.

    Womit sich aber auch die Frage stellt, ob ich dann wirklich glücklicher und zufriedener wäre, als ich es jetzt bin?
    Selbst wenn ich Einiges davonin einem weiteren Leben, mit alten Erfahrungen und neuen Chancen würde vermeiden können:
    Dann gäbe es vermutlich Anderes, was sich ähnlich gravierend auswirken würde. Denn auch da wären es ja auch wieder „nur“ Versuch und Irrtum samt ganz anderer unwägbarer Ereignisse, die als wesentliche Elemente den zweiten und jeden weiteren Versuch bestimmen würden.

    Wobei sich anders ja trotzdem ständig wiederholen würde – wieder und wieder, in jedem neuen Leben. Weil sich an den generellen Problemen und Ereignissen der Welt vermutlich wenig ändern würde, wie sie seit 1958 auf der grossen Agenda unseres Planeten standen:

    Egal, ob Dalli-Dallii oder Wetten das? , ob Mondlandung oder Mini-Röcke, ob Ostverträge oder 9/11, ob Tschernobyl oder Vietnamkrieg, ob Umweltverschmutzung oder Apartheit-, ob Kiesinger, Kohl oder Schröder als Bundeskanzler – das alles gäbe es ja immer wieder, zumal es vermutlich auch im zweiten, dritten, vierten und jedem weiteren Leben weit ausserhalb dessen liegen würde, auf das ich Einfluss nehmen könnte.

    Das alles brauche ich also ganz sicher nicht nochmal, wo mich doch schon die ständigen Wiederholungen im Fernseh-Programm ankotzen…

    -_-_-_-

    Womit ich auch zu meinem Fazit komme:
    Ein zweites Leben mit neuen Chancen – das würde ich wohl ablehnen, wenn sich die Frage ernsthaft stellen sollte
    Weil mir mein Leben reicht, so wie es war und mit dem , was jetzt noch kommen wird. Und weil es insgesamt bisher ein gutes Leben war mit vielen schönen Momenten, positiven Erfahrungen und Begegnungen mit sehr liebenswerten Menschen, auf die ich nicht verzichten möchte.

    Auch wenn ich sicher nicht immer alles richtig gemacht habe in diesem Leben (und auch in Zukunft vermutlich noch etliche Fehler machen werde)… Immerhin hab ich dabei das Beste erreicht, was zu erreichen war.
    Was also sollte besser werden, wenn ich noch mal die Chance bekäme?


    Habt einen schöne Woche und bleibt gesund und behütet!
    Wir lesen uns :bye:

    Euer Wilhelm,

    Der sich nun erst mal ganz profan dem widmen wird, was in diesem Leben als nächstes dran ist: Katzenklo, Fegen, Betten machen usw.
    Da gibt es genug zu tun B-)


    -9-

  • Versuch eines Perspektivwechsels


    „Ist Unwissenheit Unschuld? Und wenn ja: Tolerieren wir andere wegen ihrer Unschuld?“

    (aus „Die vielen Leben des Harry August: Roman“ von Claire North)

    Hallo zusammen!

    Festgemacht an dem Zitat über diesem Text möchte ich mal versuchen, zwei Themen aus den letzten Tagen zusammen zu führen, die mir irgendwie nicht aus dem Kopf gehen wollen:
    Eines davon kam in den Kommentaren unter einem Beitrag Annuschka auf, in dem es unter anderem um einen Wechsel der Perspektive ging, eines stammt aus einem schon länger zurück liegenden Beitrag aus meiner Feder um ein Zitat, in dem es um das Thema Dummheit im Zusammenhang mit den rechten Strömungen in unserem Land ging.
    Wobei die Schnittmenge beider Themen sicher in dem zu finden ist, was die Unvereinbarkeit rechten Gedankengutes mit meiner eigenen Sichtweise dazu ausmacht – weil ich nicht einfach nicht verstehe kann (und auch eigentlich gar nicht verstehen will), warum Menschen so ticken, wie es die alten und neuen Nazis in unserem Land tun.

    -_-_-_-

    Dazu schrieb ich in meinem Kommentar bei Annuschka:

    Was die Sache mit dem Perspektivwechsel in politischer Hinsicht angeht bin ich allerdings der Meinung, dass es Dinge gibt, die ich mir nicht – nicht mehr – aus Sicht von Rassisten oder Nazis heraus angucken muss.
    Schon weil sie meinen eigenen Einstellungen so stark widersprechen, dass einige dieser Gedanken für mich schlicht undenkbar sind und jede Grenze in mir überschreiten. Selbst, wenn ich aus meiner Familiengeschichte heraus schon als Kind mit dem Thema in Berührung gekommen bin und später (etwa aus der Auseinandersetzung mit dem Tagebuch meines Grossvaters heraus – und auch aus dem Umgang mit einigen meiner alten Patienten, die sehr ähnlich tickten) durchaus nachvollziehen konnte , was einen Menschen dazu bringt, so zu denken und viele humanistische Prinzipien sehenden Auges über Bord zu werfen, vermeintlich aus dem Gedanken heraus, dadurch Vorteile fürs eigene Leben zu bekommen.

    -_-_-_-

    Wobei ich – um das jetzt hier nicht allzu sehr ausufern zu lassen – mir aus diesem Zitat eigentlich nur einen Punkt herausnehmen und näher betrachten möchte:

    Die Tagebücher meines Grossvaters, den ich nur als gebrochenen und verbitterten alten Mann in Erinnerung habe, der ständig seiner grossen Zeit als freier pommerscher Bauer nachtrauerte und alles verloren hatte, als er im Winter 1945 vor den Russen flüchten musste.
    Nicht sehend, welchen Anteil er selbst an seinem Schicksal hatte.
    Und aus dieser Sicht war auch immer das geprägt, was er an uns, seine Enkel weiter gegeben hat – was mir erst deutlich wurde, als ich nach seinem Tod seine Tagebücher und ein handgeschriebenes Buch in die Hand bekam, in dem er (wohl 30 Jahre nach dem Krieg) seine Erinnerungen aufgeschrieben und selbst kommentiert hatte. Übrigens keinesfalls ideologisch geprägt, obwohl er zeitlebens bekennender Nazi und zu Hitlerzeiten auch Parteimitglied war, sondern eher voller Naivität und für sich selbst eine sehr ambivalente Bilanz ziehend, als er vom Beginn seiner grossen Zeit ab Ende der zwanziger Jahre und dem erzählt , was da nach geschah:

    Damals (1928/29) erschien ihm Hitler tatsächlich als ein Mann, in den man Vertrauen setzen könne und der „unser Vaterland wieder grossen Zeiten entgegenführen wird“ – grossen Zeiten, von denen er selbst zu profitieren hoffte.
    Und so schien es ihm nur logisch, die Hitlerpartei zu unterstützen und 1933 selbst Parteimitglied zu werden – und auch dazu, dass er sich nach und nach zu einem kleinen Parteibonzen entwickelte und als Bürgermeister und Bauernführer auch politische Verantwortung übernahm… bis hin zum Ende mit Schrecken, als der Krieg verloren ging und er selbst als 55-jähriger Mann vor dem Scherbenhaufen seines Lebens stand. Als Vertriebener, als Mann ohne Heimat, als Mensch ohne Zukunft, wie er immer wieder beklagte….

    Ein Schlag, von dem er sich nie erholt hat und der ihn wohl auch hinderte, nochmal einen Neuanfang zu wagen, obwohl es in der aufstrebenden Bundesrepublik ab 1948 gute Chancen dafür gegeben hätte – und er sogar mit seinem geretteten Traktor und seinen zwei Pferdegespannen etwas hatte, was in Zeiten knapper Transportmittel eine wahre Goldgrube gewesen wäre…
    Aber das lag wohl ausserhalb jeder Vorstellungskraft für ihn, der stattdessen immer noch auf seinem Bürgermeistertitel beharrte und sich ebenso krampfhaft wie erfolglos bemühte sein „Dorf in der neuen Zeit beieinander zu halten“…

    Karl, mein Grossvater – ca 1974 im Alter von 86 Jahren

    Wobei er (und hier kommt jetzt das Bonhöffer-Zitat aus meinem eigenen Beitrag ins Spiel) ganz sicher auch ein dummer Mann war – jedenfalls in dem Sinne, wie Bonhöffer es definiert:

    Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt.

    Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch – und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden.

    Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.

    Ganz sicher jedenfalls (aus meiner Perspektive betrachtet) bis 1945, bis zur Flucht – so zielstrebig, wie er damals seine eigenen Pläne verfolgt hat und dazu das Instrumentarium nutzte, was das Nazi-Regime ihm bot. Obwohl er zumindest seit 1938 wusste, dass da einiges falsch lief, nachdem der jüdische Viehhändler und sein jüdischer Arzt in der Kreisstadt verschwunden waren und er spätestens seit 1941 definitiv auch von der Existenz der Konzentrationslager wusste, als sein ältester Sohn Fahrer eines hohen SS-Offiziers wurde.

    Was er in seinem Tagebuch ungläubig so kommentierte: „Das kann der Führer doch nicht wollen!“ – um aber trotzdem selbst weiterzumachen wie bisher und im nächsten Eintrag ungerührt darüber nachzudenken, wie viele Pferde er noch an die Wehrmacht verkaufen könnte und wie viele Kriegsgefangene (also Zwangsarbeiter) in nächster Zeit im Dorf benötigt würden, um die Arbeitskraft der eingezogenen Bauernsöhne zu ersetzen…

    Interessant daran aber auch noch ein anderer Aspekt, der immer wieder in seinen Einträgen auftaucht, wenn er sich an den Dorfbewohnern abarbeitet, die seiner Meinung nach „nichts aus ihrem Leben machen, wo doch gerade alle Wege offen stehen“. Die sieht er nämlich selbst als „dumm“ an, weil sie nicht mit ihm oder mit der Partei zusammenarbeiten wollen, sondern sich lieber aus allem raushalten….
    Was im krassen Gegensatz zu seinen christlich-humanistischen Ansichten steht, die zumindest am Anfang seiner Tagebucheintragungen (ab ca. 1925, wenn auch schon zu der Zeit mit einer erheblichen Portion Nationalstolz garniert) noch aufscheinen, bevor er sich ab 1928 mehr und mehr von Hitlers Grossmäuligkeit blenden liess und später wohl auch einige dieser Ansichten seiner Parteigläubigkeit geopfert hat.

    -_-_-_-

    Und dumm war er im Bonhöfferschen Sinne vermutlich auch noch nach 1945, denn viele der Merkmale aus dem Zitat konnte ich ja selbst als Kind und Jugendlicher noch an ihm beobachten:
    Etwa seine Halsstarrigkeit, mit der er auf dem Recht an seiner Heimat beharrte und die Unbelehrbarkeit anderen Argumenten gegenüber, die besonders heftig in wiederkehrenden Disputen mit meinem Vater zum Vorschein kam, weil der ganz andere Ansichten vertrat und sich vehement gegen vieles verwahrte, was mein Opa so von sich gab…

    Was ich als seinerzeit überhaupt nicht verstanden habe, sondern erst viel später, als ich nach dem Tod meines Vaters versucht habe, dessen Kriegserlebnisse für mich aufzuklären, der 1945 als 15-jähriger Kindersoldat noch zum letzten Aufgebot gehörte und wohl dadurch auch heftig traumatisiert war (Worüber er auch selbst mit uns, seinen Kindern nie reden konnte) – und dabei immer wieder auch lockere Querverbindungen zur Geschichte meines Grossvaters fand.

    -_-_-_-

    Womit ich schlussendlich bei dem Zitat lande, was ich über diesen Beitrag gestellt habe – und damit auch bei der Frage, ob mein Grossvater wirklich am Anfang der Nazi-Zeit so unwissend war, dass man ihn als unschuldig betrachten kann – oder ober er als halbwegs gebildeter, vorher humanistisch geprägter und offenbar auch politisch interessierter Mann nicht schon damals hätte ahnen können, was da auf ihn zu rollt? Nicht in letzter Konsequenz, aber zumindest in Ansätzen?

    Wenn dem also so wäre, dass er bis zu seiner bewussten Entscheidung für die Nazis unschuldig war, wie sieht es dann aber mit der Toleranz für die Zeit danach aus, nachdem er ja wusste, was da läuft?
    Und noch weiter gedacht, wie tolerant muss man dem gegenüber sein, was er ab 1945 bis zu seinem Tod vertreten hat?

    Eine schwierige Frage, wie ich finde, vor allem auch aus meiner Perspektive als Enkel heraus, der ich diesen Mann bei allen seinen Fehlern ja auch sehr geliebt habe. Auch, weil er so war, wie er war.
    Meine Kritik daran kam erst viel später – ihm gegenüber wie auch vielen anderen Menschen, die ähnliche Lebensgeschichten haben und sich in vielen Dingen genauso entschieden haben wie er.

    Und dennoch:
    Inzwischen glaube ich, dass man gegenüber diesen alten Menschen tolerant und auch respektvoll bleiben sollte.
    Weil sie als Kinder ihrer Zeit (und damals noch sehr junge Menschen) häufig gar nicht anders konnten als das zu tun, was sie getan haben – sich zu beugen und so unwillkürlich auch zu Mitläufern zu werden. Denn wichtiger als die Entscheidungen von damals ist doch auf jeden Fall die Haltung, die sie jetzt dazu zeigen:
    Sind sie unbelehrbar geblieben ( wie mein Grossvater) oder haben sie daraus gelernt?
    Und (sollte die Antwort auf diese Frage negativ sein) haben sie es trotzdem noch heute verdient, dass man sich ihnen unversöhnlich gegenüberstellt, weil man anderer Ansicht ist als sie?
    Denn aus ihrer Perspektive betrachtet haben sie ja damals nicht falsch gemacht?

    Und mal Hand auf Herz:
    Wer von uns hätte die Kraft und den Mut gehabt, sich den Nazis entgegenzustellen – nach 1933, nach Hitlers Machtübernahme?
    Ich vermutlich nicht….

    -_-_-_-

    Ganz anders aber, wenn man sich unsere Situation heute, im Jahr 2023, ansieht, die in vielem dem ähnlich scheint, was vor 100 Jahren während der Weimarer Republik in unserem Land passierte:
    Denn rechte Machtgelüste prägen ja jetzt auch wieder unseren politischen Alltag….

    Haben also die Nazis von heute auch Toleranz verdient, sind sie unwissend, gar unschuldig, weil ihre Blase so dicht ist, dass von aussen nichts anderes mehr ans sie heran dringt?
    Wissen sie denn nicht, welches Unglück die Generation ihrer Grosseltern und Urgrosseltern ertragen musste, die Hitler willfährig zu Macht verholfen und damit sich selbst mitschuldig an vielem gemacht gemacht haben, was daraus folgte?

    Um diese Fragen zu beantworten wäre wohl auch ein Perspektivwechsel nötig.
    Aber wer will sich den antun?
    Ich jedenfalls habe meine Probleme damit, zumal mir auch das reicht, was ich alleine am Beispiel der Geschichte meines Grossvaters erfahren habe…

    Und das ist auf jeden Fall genug, um auch heute etwas gegen die neuen Nazis zu tun, bevor es wieder soweit kommt.


    Oups – das war jetzt aber viel Text und viel Stoff zum nachdenken, wenn Ihr mögt. :wacko:
    Bleibt noch, Euch das zu wünschen, was ich Euch immer wünsche: Einen feinen Tag, ein angenehmes Wochenende und dass ihr gesund und behütet bleibt!
    Wir lesen uns :bye:

    Eurer Wilhelm,

    der sich demnächst wieder kürzer fasst – versprochen!


    -8-

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